Eine woche ist es jetzt her seit ich in Kaolack einen besonders seriösen vertrag zum mieten eines alten fischerbootes gemacht habe. Fast ein ganzer Tag lächerlich langwierige Verhandlungen über den Preis mit den Fischern brachte das Ergebnis. Ein Vertrag in Form eines Stückes Papier von der Größe eines Einkaufzettels, ein völlig überteuerter Preis und eine stinkende alte Fischerpiroge die für die nächsten 8 Tage meine sein sollte.
Soleymane heisst der 27 jährige der das ganze für einen alten Fischer übersetzt und somit den Deal eingefädelt hat. Umgerechnet ca. 250 Euro soll mich der Spaß kosten inklusive die Abholung vom Zielort. Mehrmals wird danach gefragt ob ich wirklich dazu in der Lage bin das zu schaffen.
Schon einmal wurde in Italien bei einem Kajakverleih an meinen Fähigkeiten gezweifelt die Brenta bis in die Adria herunterzuschippern. Der Eigentümer sagte mir damals er gäbe mir kein Boot da er nicht verantworten könne das ich in einem seiner Boote sterbe. Das senegal nicht Südtirol ist ist mir bewusst aber so etwas soll mir nicht nochmal passieren. Im Brustton der Überzeugung lasse ich von Mark übersetzen das ich der absolute Experte in Sachen autarke Bootstouren bin. Tatsächlich habe ich auch gewisse Erfahrungen zumindest bin ich schon einige Male Kanu und Kajak gefahren auch über weitere Strecken. Ein altes Fischerboot von ca. 4 Metern Länge allerdings noch nicht. Ein Flussdelta das ich überhaupt nicht kenne und überhaupt bin ich erst seit ein paar Tagen im Land. Mein Wissen über Landschaft, Tier und Pflanzenwelt dieser Gegend geht gegen Null.
“Natürlich kein Problem, ich weiss was ich tue” Lüge ich ein weiteres mal.
Und es klappt. Die Hälfte der Anzahlung soll ich im voraus bezahlen, morgen früh dann den Rest. Mit dem mulmigen Gefühl souleymane und den ersten Teil der Anzahlung vielleicht nie wieder zu sehen, gehe ich ins Bett.
Natürlich habe ich Zweifel an diesem “Plan”, und auch Mark lässt verlauten das das nicht wirklich die beste Idee meines Lebens sei.
Das saloum Delta ist aber nunmal kein einsamer Fluss mitten im nirgendwo. Es gibt Fischer, andere Einheimische und stellenweise ist es aufgrund der geographischen Nähe zur Hauptstadt Dakar touristisch gut besucht. Ich verlasse mich also darauf das ich im laufe der Tour mehr Infos zum Gewässer einholen kann, und im Notfall finde ich immer irgendjemanden der mir weiter hilft wenn mal etwas nicht klappt.
Meine Zweifel daran das dieser ganze Bootsdeal nur eine Verarsche ist halten an, und ich kann es kaum glauben als ich am Vormittag des nächsten Tages in der alten Piroge sitze. Soleymane auszufragen was genau mich erwartet habe ich mir gespart, da sonst klar geworden wäre das ich überhaupt keine Ahnung habe.
Ein altes Fischerboot, mein Equipment plus 20 Liter Trinkwasser, Der Fluss, eine Flasche billiger Senegalesische Rum und Ich.
Satellitenbilder habe ich heruntergeladen um die Orientierung im endlosen Delta nicht zu verlieren, ein GPS Notfallgerät von Garmin habe ich auch dabei.
Soleymane ruft zum Abschied ein von Herzen kommendes “God protect you” das mir überhaupt nicht viel Mut macht. Ich habe überhaupt keine Ahnung worauf ich mich einlasse, eine gute Mischung aus Unwissenheit und Größenwahn, aber so beginnt ja jedes große Abenteuer.
Ich starte am späten vormittag, es fängt langsam an warm zu werden.
“Wenn das Wasser sinkt geht die Strömung in Richtung Meer dann kannst du fahren, wenn es steigt gehe ans Ufer und warte”, gibt er mir noch mit auf den Weg.
Der Wasserspiegel sinkt, die Ebbe kommt, die Strömung geht in die richtige Richtung. Trotzdem ist es nicht das entspannte treiben lassen das ich mir erhoffte hatte. Das 4 Meter lange massivholz boot muss man erstmal lernen zu steuern und unsichtbare Strömungen versuchen die ganze Zeit das Boot zu drehen sodass ich auf einer Seite dagegen paddeln muss.
Die Landschaft die vor mir liegt ist weitläufig und flach. Auf den paar Inseln so wie auf dem Festland drum herum wachsen vereinzelt Bäume. Eine sehr karge, trockene Landschaft typisch für die Sahelzone, laut den Satellitenbildern wird es bald grüner.
Von weitem sehen ich den Harmattan, den staubigen Sahara Wind aus dem Osten wehen. Wie ein alter bekannter aus der Wüste der mich begleitet erscheint er mir, nicht als Bedrohung da wir doch schon so viele vormittag in dem weißen Dunst verbracht haben bevor er sich gegen Mittag legt.
Auf den Inseln bilden Luftverwirbelungen kleine Sandhosen, wundervoll anzusehen leider schaffe ich es nie schnell genug die Kamera zu zücken.
Nach ein paar Stunden fahrt wird es unerträglich Heiss und ich beschließe bei nächster Gelegenheit anzulanden, vor der nächstbesten Insel liegt eine ca. 30m Breite Wattähnliche Matsche, wie soll man denn da an Land gehen? Und wie stark wird die Strömung, kann es sein das bei meinem Mittagsschläfchen das Boot weggerissen wird und davon treibt? Ein Kajak hätte man ja locker mit an Land nehmen können aber ein ca. 150kg Holzboot? Fragen über Fragen.
Ich fahre ein Stück weiter und eine Stelle wo ein mast im Boden steckt und der Schlick nur ein paar Meter breit ist, binde das Boot fest und flüchte mich in den Schatten unter einem der drei Bäume der kleinen HalbInsel.
Es ist so heiß. Auf den Offlinekarten sehe ich das ich mich kaum von Kaolack entfernt habe und in der Landschaft ist der Funkmast den ich noch beim losfahren gut gesehen habe nicht so wirklich weit in die Ferne gerückt. Ich beschließe also am späten Nachmittag weiter zu fahren, einen Platz zum Anlanden für die Nacht werde ich schon finden.
Weiter die Strömung hinab, es bleibt anstrengend und ich schaffe kaum Strecke. Schon bald wird es dunkel und weit und breit ist keine Stelle zum anlanden in Sicht, improvisieren ist angesagt.
Soleymane gab mir noch eine Holzpalette die ich in die Mitte des Bootes legen kann sodass es gerade ausreicht das ich mich darauf legen und schlafen kann. Nach ein wenig rumlaufen auf dem festen Schlick am Rande einer Insel finde ich einen kleinen Seitenarm des Flusses. Ich dachte wenn ich irgendwo auf dem Boot einigermaßen schlafen kann ohne Angst ins Wasser zu fallen dann hier. An einem in die Erde gesteckten Ast am Ufer befestigte ich das Boot.
Jetzt aber erstmal höchste Zeit für ein Bier, zwei Stück habe ich aus Kaolack noch dabei. Ich sitze da und schaue auf die letzte Abenddämmerung, mein Gehirn völlig auf Durchzug und genieße die Stille.
Im Dunkelwerden fangen die Städte und Dörfer am Horizont an künstlich zu leuchten. So viele Häuser, trotzdem fühle ich mich wie der letzte Mensch auf der Welt so alleine in meinem Boot.
Bei der Suche nach dem Schlafplatz waren ein paar Raubtier Fußspuren zu sehen, Hunde wahrscheinlich, diese Strassenköter gibt es ja überall und wir sind ja noch recht nah an der Stadt denke ich mir.
Nach dem ersten Bier höre ich von weitem ein komisches Summen. Kommt da ein riesiger Mückenschwarm auf mich zu? Ich halte Mückenspray und Schutzkleidung bereit und warte ab. Kurz danach höre ich Schritte im Matsch die auf ein größeres Tier schließen lassen, nicht weit weg hinter mit. Wahrscheinlich einer dieser wilden Hunde, mir wird ein wenig mulmig zu mute. Ein Mückenschwarm und ein potentiell verrückter Strassenköter? So kann ich unmöglich ruhig schlafen, ich muss wissen was los ist.
Ich nehme eines der Schweren Holzpaddel in die Hand um mich notfalls irgendwie verteidigen zu können, reiße mich zusammen, atme durch, mache meine Kopflampe an deren Batterie schon schwächelt und gehe in die diesige Dunkelheit.
Keine Spur mehr von dem Tier. Ich gehe weiter zu dem vermeintlichen Mückenschwarm. Ein summen in der trüben Luft, aber keine Insekten. Dann ist die Luft ja rein, der Abendspaziergang kann beendet werde.
Ich genieße noch ein wenig die Abendluft und schlafe bald ein. Die Flut kommt mitten in der Nacht und senkt sich wieder, mitten in der Nacht wache ich auf und realisiere dass das Boot durch die Gezeiten nicht mehr im Flussbett ist, sondern auf dem sandigen Untergrund aufliegt.
Ich beschließe dass ich das so nicht bleiben lasse. Wenn der Wasserspiegel noch weiter sinkt, und das wird er, wird es in der früh kaum noch möglich sein das Boot alleine ins Wasser zu bekommen. Wiederwillig krieche ich aus dem Schlafsack und hiefe das schwere Boot wieder zurück in den kleinen Flusslauf. Na dann, weiterschlafen!
Am nächsten morgen bin ich einigermaßen erholt, hatte ich doch sicher ca. 6 – 8 Stunden mehr oder weniger tiefen Schlaf, hätte schlimmer kommen können.
Nach dem Frühstück starte ich motiviert in den Tag, das Wasserlevel sinkt, die Strömung fließt also in die richtige Richtung.
Der Flusslauf schlängelt sich sodass ich ein paar Kilometer richtung Osten fahren muss. Osten, die Richtung aus der der Harmattan weht. Zuerst versuche ich auf dem Wasser gegen den fast orkanartigen Wüstenwind anzukämpfen. Das Boot schlägt mit den Wellen auf und ab, anfangs hatte ich noch Angst vor dem kentern aber ich lernte das Boot zu kontrollieren und das ich es liebe, das dumpfe platschen wenn es auf dem Wasser aufschlägt, manchmal so stark das die Wellen über den Bug in das Innere des Bootes schwappen. Schnell muss ich einsehen, dass das es keinen Sinn hat gegen den mächtigen Gegenwind anzukämpfen. Ich fahre an den Rand in das seichte Wasser, steige aus dem Boot und fange an zu schieben. Der Matsch ist teilweise so weich das ich knietief darin einsinke. Scharfe Muscheln schneiden mir die Füße auf sodass ich schnell dazu übergehe mir einfach meine Wanderschuhe samt Socken anzuziehen. ich entwickele eine Technik mein Körpergewicht auf das Boot abzustützen, sodass ich nicht mehr so tief in die Matsche reinrutsche und das schieben etwas leichter fällt. Es sind vielleicht noch zwei Kilometer bis zur Kurve. “Hinter der Kurve lasse ich mich mit dem Wind treiben und alles wird entspannt” rede ich mir ein.
Nach etwa vier Stunden brachialer Anstrengung schaffe ich es bis zu Kurve. Jetzt könnte ich mich treiben lassen, drei Kilometer, und dann wieder drei gegen den Harmattan…
Während ich noch darüber nachdenke kommt ein Boot vorbei, eine große Holzpiroge mit Motor. Der Steuermann macht den Motor aus, sie rufen mir etwas zu. Foundiougne (gesprochen Funiun), der Name der nächsten kleinen Stadt.
Die Hitze und meine durch das Flusswasser Salzverkrustete Kleidung haben dazu geführt das ich bereits 10 von 20 Litern wasser getrunken habe, nach nicht einmal 1,5 Tagen und habe in dieser Zeit vielleicht 8 Kilometer zurückgelegt. Diese Fakten, sowie die Tatsache dass das ankämpfen gegen den Wind mich völlig fertig gemacht hat bringen mich dazu das Angebot nicht weiter zu überdenken. Geld wollen sie haben, 50000 CFA. Mehrmals rechne ich auf meinem Smartphone herum. Das sind 80 Euro! Mir wird schlagartig klar das ich erst seit einem Tag alleine unterwegs bin. Vorher hat Mark aufgrund seiner guten Französischkenntnisse immer für uns verhandelt, ich selber habe gar keine Ahnung mehr wie man feilscht.
Zu allem übel hole ich auch noch meinen durchsichtigen Beutel heraus in dem all mein Reisebudget offen zu sehen ist. Die Nummer mit “ich habe kein Geld”, selbst wenn ich wüsste was es auf französisch heisst kann ich also auch nicht mehr bringen.
Egal, dann gebe ich ihnen halt das Geld, hauptsache ich komme lebend da unten an.
Die spontane Abschleppaktion selbst wird unerwartet auch zu einem grandiosen Erlebnis. Die urige Nussschale ist voll mit allem möglichen Kram den die Einheimischen offensichtlich von Dorf zu Dorf transportieren. Ein 15 PS Motor, ein völliger Witz für ein Boot dieser Gewichtsklasse sorgt dafür das wir im Schneckentempo vor uns hin tuckern. Der Motor ist unbeweglich in einem Loch hinten im Boot befestigt. Das Ruder zum Steuern ist ohne Zweifel Handmade in Afrika: zusammengeschweisst aus irgendwelchen alten Stahlteilen die aussehen als wären sie von einer Industriebaustelle geklaut worden.
Ingeneurskunst auf Senegalesich: völlig improvisiert und wackelig, aber definitiv unzerstörbar.
Mein Boot wird hinten dran gehängt und ich kletterte auf dem offenen Wasser von Boot zu Boot.
Ich werde angewiesen neben einer alten Frau Platz zu nehmen. Diese registriert sofort eine der Wunden an meinem Bein die von den Muscheln im Matsch verursacht wurde.
Sie holt eine kleine Salbe aus der Tasche und beginnt sich mütterlich um meine Verwundung zu kümmern.
In der Ecke des Holzbootes lodert ein Lagerfeuer in einer Metallschale auf dem auf Steinen aufgebockt ein großer Topf steht, ein Feuer… auf einem Holzboot.
Die Landschaft verändert sich. Die Inseln werden grüner. Wunderschöne, riesige Baobabs (Affenbrotbäume) stehen vereinzelt herum und die ersten kleinen leuchten grünen Mangrovenwäldchen stehen scheinbar mitten im Wasser.
Es gibt Reis mit Fisch und wir essen mit der Hand aus einer Schale, eine wunderbare Mahlzeit nach dem Kampf heute Vormittag.
den halben Tag dauert die Fahrt und es wird unerträglich Heiss. Selbst die Einheimischen bedecken sich improvisert mit irgendwelchen Gegenständen die im Boot rumliegen um sich vor der Sonne zu schützen. Abgesehen von der Hitze ist die Stimmung auf dem Boot gut. Traditionelle Trommeln, offensichtlich aus irgendwelchen gigantischen Kürbissen oder Früchten gebaut liegen im Boot herum. Die alte Frau und ich trommeln einwenig darauf herum, Ich werde angehalten ein Video zu machen, hinterher wird ein Trinkgeld verlangt, versteht sich.
Wie sie den weissen das Geld aus der Tasche ziehen wissen die jedenfalls, denke ich. Das Saloum Delta ist nunmal durch die Nähe zur Hauptstadt sehr Touristisch. Die Weissen die hierhin kommen sind für gewöhnlich gut situierte Franzosen die die all inklusive Bootstour im Katalog buchen, weisse sind Reich ist die Assoziation mit dem einem die Leute begegnen.
Wenn man aus einem Land kommt in dem man die möglichkeit hat selbst mit Arbeitslosigkeit mehr Geld im Monat zu kriegen als die meisten der Einheimischen hier in Jahren harter Arbeit kann man ihnen auch nicht vorwerfen das sie im Unrecht mit dieser Annahme sind.
Die Fahrt an sich und die Stimmung an Bord ist viel zu gut als das ich mir von den Geldgeschichten die Stimmung vermiesen lassen kann. Feilschen lernen muss ich trotzdem so schnell es geht, sonst bin ich bald blank denke ich mir.
Ich bin am Ende, aber froh als ich gegen 17 uhr in dem gemütlichen Städtchen Foundiougne ankomme.
Jetzt erstmal runterkommen. Erholen, die Lage checken und schauen wie es weitergeht. Foungnioune besteht wie es scheint, neben den Einheimischen Häusern vor allem aus Hotelruinen die zum größten Teil noch in Betrieb scheinen. Da ich keine Lust habe 25 Euro für ein heruntergekommenes Zimmer in einem Hotel auszugeben wo man wahrscheinlich keinen anderen Menschen begegnet entscheide ich mich für einen einen einfachen Campingplatz der von einem französischen Pärchen im Rentenalter geführt wird.
Der Platz ist einfach, eine Dusche gibt es, die funktioniert allerdings im moment allerdings nicht. Dafür gibt es African shower, ein Eimer unter einem Wasserhahn und eine gefliesste Duschkabine in der man sich waschen kann. Auf dem Platz stehen zwei kleine Häuser auf stelzen, in dem einen leben die Einheimischen Angestellten, in dem anderen die Eigentümer wenn sie da sind. Ansonsten besteht der Platz alles in allem aus einer aus Holz gezimmerten Bar/Küche/Sitzecke in der man es sich gemütlich machen und Abends zusammensitzt. Der Platz liegt direkt am Strand zum Saloum Fluss, der an dieser Stelle mehrere Kilometer breit ist und so hat man eine schöne, weite Aussicht auf das Wasser.
Umgerechnet vier euro die Nacht soll mich ein Platz zum Zelten kosten, lange überlegen musste ich nicht.
Auf dem Platz sind ausser mir nur ein paar Leute, ausschließlich Franzosen, und so bin ich froh das am Abend doch noch jemand kommt der zumindest ein bisschen Englisch kann.
Maité: die Französin mit den sechs halbschwarzen Kindern die mit der ganzen Rasselbande im Wohnmobil wohnt und jeden Winter von Frankreich nach Senegal hin und her fährt um unterwegs als Akupunkteurin zu arbeiten.
Die Powermutter hat einen Senegalesischen Mann in Kaolack, findet es dort aber zu stressig und so verbringt sie immer mal wieder ein paar Tage mit den Kindern in Fougnioune auf dem Campingplatz.
Ich bin heilfroh jemanden zum reden zu haben und meine Story erzählen zu können.
Sie übersetzt für mich und die Eigentümer des Platzes, die anderen Gäste und Einheimischen angestellten des Platzes sind höchst amüsiert über meine Geschichte.
“es gibt Hyänen auf den Inseln”, sagt der Besitzer Platzes woraufhin Mein Gesicht gewisse Entgleisungen gemacht haben muss. “ist das ein Problem?”
“Ob das ein Problem ist?”
Tüpfelhyänen, die im Saloum Delta verbreitete Art sind die größten Vertreter ihrer Gattung. Sie sind entgegen ihrem Ruf als Aasfresser aktive Jäger, jagen in Clans von bis zu zehn Tieren. Ihre Jagdtechnik beinhaltet sich Nachts an ihre Opfer anzuschleichen und sie mit dem Kopf zuerst zu fressen, dabei verfügen sie über grösste Beisskraft im Tierreich und sind sogar in der Lage Elefantenknochen zu brechen.
Ob ich also ein Problem damit habe das das erhöhte Potential besteht das eine Horde Bestien nachts an meinen Schlafplatz kommt und meinen Kopf aufbeisst wie ein Bonbon? Die Antwort habe ich mir gespart.
Ich erfahre das selbst die Einheimischen nur in Gruppen und mit Nachtwache und nächtlichen Lagerfeuer zum Schutz vor den Hyänen auf den Inseln schlafen.
Das Feuer lassen sie die ganze Nacht brennen weil die Tiere Lichtscheu sind, Lichtscheu…
Ich schaue mir noch einmal die Satellitenbilder an von dem Ort wo ich in dieser ersten Nacht geschlafen habe. Da ist ein großer Wald auf der Insel mit dem Namen “foret de kousmar”, der ideale Lebensraum für die Raubtiere. Die Fussspuren: waren die nicht doch ungewöhnlich groß für Strassenhunde? Ich zähle eins und eins zusammen und es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Verdammte Scheisse, ich habe auf einer Hyäneninsel geschlafen, ungeschützt. Und nicht nur das ich bin auch noch mitten in der Nacht mit nichts als einem Paddel bewaffnet in die Dunkelheit auf die Viecher zugegangen.
Ein Mensch, der in einem offenen Boot auf dem Watt liegt und schläft ist ein sich selbst servierender Leckerbissen sondergleichen.
Im nachhinein kann ich nur spekulieren, aber das ich bei dem ersten näherkommen der Hyäne reagiert habe und sie ohne es zu wissen mit dem Licht meiner schwächelnden Taschenlampe davon gejagt habe mag ihnen wohl gezeigt haben das ich mich ihnen nicht so leicht zum Fraß vorwerfe. Auch das ich das Boot mitten in der Nacht wieder in den Fluss geschoben habe anstatt auf dem Präsentierteller auf dem Watt liegen zu bleiben war wenn auch unbeabsichtigt ein gute Schutzmaßnahme.
Zufall, Glück oder doch ein bisschen Intuition in der falschen Situation das richtige zu tun, die richtige Mischung daraus hat dafür gesorgt das nicht meine letzte Abenteuernacht wurde.
Wie geht es jetzt weiter? Der Wechsel der Strömungen durch die Gezeiten und die am Nachmittag kaum noch erträgliche Hitze lässt das Vorhaben bis runter ans Meer zu paddeln in meinem Zeitramen immer mehr als brutale Schinderei erscheinen und ausserdem würde ich von der Landschaft nichts zu sehen bekommen wenn ich immer nur paddel bis zum umfallen. Die Tortour der letzten Tage hängt mir immer noch in den Knochen und so beschließe ich erst einmal gar nichts zu beschließen und mich auszuruhen.
Ich liege faul herum, lese, quatsche ein wenig mit Maité und bespaße ein wenig die Kinder.
Im heissen Nachmittag beschliessen Maité und ich kurzerhand die ganze Rasselbande samt Hund mit auf mein Boot zu nehmen und eine kleine Runde zu drehen. In der Flut ist das Wasser über weite Strecken sehr flach, wie in einem Wattenmeer sodass die Kinder neben dem Boot her laufen können. `Ob sie springen dürfen? `na klar`, antworte ich und so hüpfen sechs Jungs und Mädels immer wieder von meinem Boot ins Wasser, klettern wieder drauf, springen wieder rein und scheinen einen Heidenspass dabei zu haben. Der Hund scheint ein wenig verwirrt über das Schauspiel, was seine Schäfchen da treiben, macht aber eifrig mit und klettert mit ein wenig Hilfe meinerseits immer wieder auf das Boot nur um wieder ins Wasser zu hüpfen. Einmal stellt er sich sogar auf die Spitze des Bootes und sieht dabei aus wie eine Galionsfigur die erhobenen Hauptes über ihre spielenden Lausbuben wacht, ein Bild für die Götter.
Abends im Camp bin ich so Müde das ich ganz schnell beschließe mich schlafen zu legen schaue aber noch einmal auf mein Handy, “schlaf gut und habe einen guten Start in dein 25. Lebensjahr”, schreibt mir meine Mutter. Ich schaue auf das Datum: 8. März. Tatsächlich, ich habe morgen Geburtstag, na zum Glück hat man eine Mutter die einen an so etwas erinnert.
Am nächsten Tag habe ich immer noch keine Entscheidung getroffen und so wird es ein weiterer Tag auf dem gemütlichen Campingplatz der mir noch die ein oder andere Überraschung bescheren soll. Meine Geburtstage haben mich nie sonderlich Interessiert, trotzdem erzähle ich Maité das meiner Heute ist.
Als die Kinder am Vormittag alle zusammen am Esstisch sitzen gehe ich zur Bar um mir ein Glas Wasser mit Eis zu holen. Ein völlig schief gesungenes, aber von Herzen kommendes ´bonne anniversaire` Happy Birthday auf Französisch und hinterher noch eines auf wolof, der Sprache der Einheimischen schmettern die Kinder zur Feier des Beginns meiner Existenz.
Ich belohne die Darbietung mit jubelndem Applaus und mehrfachen merci bocour’s. Sonst habe ich zwar nichts bekommen zu meinem 25. Geburtstag, aber was sollte man sich bitte mehr wünschen nach so einer einer herzerwärmenden Darbietung.
Am Nachmittag des Tages spreche ich mit Maité über die Gegend, die Menschen, die Religion. Maité’s Darstellungen über das folgende waren leider in sehr gebrochenem Englisch formuliert, daher kann ich die folgenden Darstellungen nur wiedergeben wie ich sie verstanden habe. Auch den Namen des Gottes/Geistes kann ich bis ich weitere Informationen habe nur so schreiben wie ich ihn gehört habe.
Ginee nennt sie ihn, und als sie anfängt über ihn zu reden fangen ihre Augen an zu leuchten.
Er sei überall, in jedem von uns und um uns herum, in jeder Pflanze in jedem Baum.
Es gäbe eine art Schamanen, nicht weit von hier. Zu diesem Mann gehen die Leute, reisen teilweise von weit weg an um herauszufinden was ihr Ginee ist. Die Menschen gehen mit einer Frage zu dem Priester, es ist egal in welcher Sprache sie formuliert wird, er kann alle Sprachen. Der Ginee eines Menschen kann gut oder böse sein, manchmal gehen Leute zu dem Priester, sie erfahren das ihr Ginee Böse ist und am nächsten Tag haben sie einen Autounfall.
Es ist weniger der Inhalt dessen was sie gesagt hat, als die Art mit welcher Hingabe und Begeisterung sie von Ginee erzählt das ich mir erst einmal denke sie müsse wohl etwas zu lange in der Sahelsonne gebrutzelt und so einen Großteil ihres Verstandes eingebüßt haben.
Mein Interesse für den Priester und das was da vor sich geht wird jetzt allerdings keiner mehr klein kriegen.
Keine Stunde später sitze ich im Vorgarten eines Hauses, Bierbänke stehen aufgereiht vor einem einfachen Plastikzelt welches als Sonnenschutz dient. Die Stimmung der Zuschauer ist locker, man unterhält sich, fühlt sich an wie bei einem kleinen Gottesdienst im Vorgarten.
Ich weiss nicht genau was mich erwartet, aber ich habe bereits Geschichten gehört von Vodoo und Zeremonien, ich weiss das das was jetzt passiert verstörend sein kann, aber ich weiss auch das ich mir kein Urteil erlauben brauche und versuche mich so gut es geht von jeder Voreingenommenheit zu befreien.
Auf einem Teppich auf dem Boden des Zeltes sitzen drei Männer, offensichtlich in Trance. Eine Frau schreit einem der Männer etwas ins Ohr, eine Art Gesang oder Text ohne Punkt und Komma, monoton, und schon beim Zuschauen tut mir das Trommelfell weh. Als ich Maité Frage worum es sich handelt antwortet sie “Koran”.
Nach ein paar Minuten Ohrengeschrei beendet die Frau die Praxis mit einem Pusten in das Ohr des Mannes, geweihtes Wasser wird auf seinen Kopf geträufelt, seine Augen starren in die Leere. Plötzlich ohne Vorwarnung fängt der Mann an um sich zu schlagen, mehrere Helfer die um ihn herum stehen helfen ihn zu fixieren. Er tobt, versucht sich loszureissen und fängt an wie ein Schwein auf dem Weg zur Schlachtbank zu grunzen.
Ein anderer Mann der wohl schon länger Hypnotisiert ist steht auf, zunächst hält in keiner auf. Es ist offensichtlich in seinen Augen und seiner Körperhaltung zu sehen das ich sich nicht in unserer Welt befindet, wie ausgenockt geht sein Blick ins Leere, nur das er noch stehen und laufen kann.
Er geht zum Tor des Vorgarten, hinaus auf die Straße und geht in Richtung Dorf, ein paar Männer kommen bald nach und holen ihn zurück. Ich gebe mir Mühe so zu wirken als wäre das was ich sehe völlig normal für mich, frage Maité wie es funktioniert, ist vielleicht etwas in dem Wasser, ein Droge? “Nein” Antwortet sie, nichts, nur gesegnetes Wasser.
Höchst Interessant, dieser Ginee.
Gerne hätte ich tiefer nachgebohrt, in den Sinn und Zweck der Praxis, und ich würde lügen wenn ich sagen würde das ich nicht darüber nachdenke ebenfalls zu erfahren was mein Ginee ist. Die Sprachbarriere erlaubte es mir leider nicht tiefer zu bohren und obwohl es mich schwer reizt vertraue ich auf mein Gefühl das mir sagt das es jetzt nicht sein soll.
Ein andermal vielleicht.
Nachdem ich über eine Stunde den verschiedenen Versionen von Hypnotischer Eskalation zuschauen durfte reisse ich mich irgendwann los. Noch lange wirken die Szenen die ich mit angesehen haben nach, langweilig sind deren Gottesdienste jedenfalls nicht.
Nun gibt es erst einmal ein Abenteuer zuende zu bringen, Ich habe noch fünf Tage Zeit bis Souleymane das Boot abholt. Ich beschliesse die verbliebenen Fünf Tage die ich das Boot noch habe zu nutzen um in einen Seitenarm des Saloum Deltas zu fahren.
Klar könnte ich versuchen wie geplant dem Hauptfluss zu folgen und das Meer zu erreichen, aber es würde rein zeitlich eine knappe Sache werden und selbst wenn ich es schaffen sollte an der Küste anzukommen wäre ich wahrscheinlich halbtod und hätte trotzdem nichts vom Land gesehen.
Am Morgen des nächsten Tages hat die Prokrastination ein Ende.
Nachdem ich mich ausgiebig bei den Einheimischen Angestellten über Tiere die mich potentiell töten können informiert habe und durch den letzten Versuch einen Einblick bekommen habe was mich erwartet fühle ich mich doch schon viel besser vorbereitet.
Die Flasche Rum ist immer noch fast voll und diesmal landen 40 Liter frisches Trinkwasser unter der Sitzbank des Bootes.
Der nebenarm in den ich hereinfahren möchte liegt auf der anderen Seite des an dieser Stelle ca. Zwei Kilometer breiten Saloum Flusses.
Der Harmattan weht gnadenlos aus dem Osten und der Wellengang ist nicht ohne, wenn ich bis mittags warten würde wäre der Sahara Wind vorbei aber dann könnte es auch schon wieder zu Heiss sein zum paddeln.
Noch länger werde ich nicht hier rumhängen, also los geht’s. Ich teile mir meine Kräfte ein, achte wie schon zuvor darauf das das Boot niemals quer zum Wellengang steht damit es nicht kentert. Nähe dem Ende meiner Kräfte komme ich gegen Mittag auf der anderen Seite des Flusses an. Der Harmattan ist zuende, der Wasserspiegel steigt und drückt mich in den Seitenarm. Nur wenige Paddelschläge benötige ich um die Richtung zu halten die Strömung erledigt den Rest. Zwischendurch lasse ich mich immer wieder ohne paddelschläge minutenlang durch das spiegelglatte Wasser treiben und genieße die Stille, genau so habe ich mir das vorgestellt.
Schon bald wird es zu heiss zum paddeln und ich Lande an der nächstbesten Insel an.
Die Landschaft ist trocken und von weitem kann ich die grossen Affenbrotbäume sehen, keine grosse Frage wohin mich die erste Erkundungstour führen soll.
Mit offenem Mundwickeln bleibe ich mehrere minuten vor dem Gigant stehen, Baobab, jetzt verstehe ich warum die Leute hier dich heilig sprechen.
Die Hitze bringt mich schon bald dazu zum Boot zurück zu gehen. In St. Luis haben Mark und ich uns mit Angelequipment eingedeckt, zumindest mit dem was wir bekommen haben. Eine monofile Schnur und viel zu grosse Haken, das wars. Ich hänge Mais an den Haken und lege es an die Kante des Ufers auf Grund.
Nicht lange sitze ich da passiert es, nicht im Wasser aber dafür an Land. Ein Schakal macht seelenruhig einen Spaziergang, legt sich ins Wasser und planscht ein bisschen.
Ich wage es kaum mich zu rühren aus Angst das Tier zu verscheuchen kann dann aber doch nicht wiedersehen meine Kamera heraus zu holen und Fotos zu machen. Schon bald folgen weitere Tiere, sechs sind es insgesamt und sie scheinen sich herzlich wenig von mir stören zu lassen.
So sehr die Inseln dazu verführen abends ein gemütliches Lagerfeuer zu machen und auf ihnen zu übernachten aber nach den ausführlichen Gesprächen mit den Einheimischen wird das Bild einer Inselübernachtung immer weniger attraktiv. Zwar könnte ich zum Schutz vor den Hyänen auf dem Ast eines Affenbrotbäume übernachten dort tummeln sich wohl aber gerne die Phytons die ebenfalls gefährlich für den Menschen sein sollen.
Die Einheimischen selber übernachten auf den Inseln nur in Gruppen, und zum Schutz vor denn nächtlichen Räubern halten sie die ganze Zeit ein riesiges Lagerfeuer am laufen.
Klar könnte ich auch ein Feuer machen, die Wahrscheinlichkeit das ich irgendwann einschlafen und das Feuer ausgeht ist allerdings ziemlich hoch. Insgesamt würde ich sagen ist die Entscheidung nicht auf den Inseln zu schlafen weniger dadurch begründet das ich Angst habe gefressen zu werden also durch die Gewissheit das ich bei dem Gedanken an einen nächtlichen Hyänenbesuch kein Auge zu machen würde.
Als es langsam anfängt zu dämmern steige ich wieder in mein hölzernes boot. Ich genieße die Abenddämmerung bei einem Gläschen Rum vom stillen Wasser aus.
Einen Schlafplatz werde ich schon finden, denke ich mir und tatsächlich mit Hilfe der Satellitenbilder finde ich bald einemn Seitenarm zwischen niedrig gewachsenen Mangroven. Alles ist so Grün und voller Leben in dem Wäldchen, die Grillen zirpen und in dem Moment in dem das letzte bisschen Orange leuchtende Sonne am Horizont verschwunden ist fangen sie an zu heulen. Ein lang gezogenes “wooooooooooop” das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt ertönt im Kanon von allen Seiten um mich herum. Sie wachen auf, die Hyänen und jetzt beginnt ihre Jagd, na gut das ich nicht auf der Insel geblieben bin.
Die nächsten Tage verlaufen alle im ähnlichen Stil. Vormittags rudere ich ein Stück tiefer hinein in den Seitenarm, dann eine Erkundungstour auf eine der Inseln und in der Mittagshitze wird fleißig geangelt. Als ich am dritten Tag immer noch keinen Fisch fange gebe ich langsam auf. Meine Angeltechnick habe ich weiterentwickelt indem ich das Ende meiner Schnur um einen halb leeren Wasserkanister bind sodass, so die Theorie bei dem biss eines Fisches der Kanister hin und her wackelt oder gar umfällt und mir so den anzeigt das ein Fisch am Haken hängt.
Seit drei Tagen nur trocken Reis, es reicht langsam. Von weitem sehe ich ein paar Fische auf meiner Insel herum laufen und gehe herüber. Für einen lächerlichen Betrag kaufe ich drei der Weiss Fische die die Einheimischen hier zuhauf mit Netzen fangen, der Fischer besteht sogar darauf mir Wechselgeld im Zehntel Cent Bereich zu geben.
Als ich gerade dabei bin die Fisch auszunehmen passiert es, der Kanister fällt zu Boden! Ich kann es kaum glauben, am Haken hängt ein Barschartiger Fisch, na das wird ein Mittagessen, gleich vier Stück, wenigstens einen habe ich selbst gefangen.
In den Seitenarm zu fahren war die Richtige Entscheidung. Mehr und mehr ergibt sich ein Bild des Flussdeltas vor meinem inneren Auge:
Es ist wie eine Lunge, atmet das Wasser des Meeres ein und wieder aus, und ich kann mich entscheiden ob ich Kämpfe und versuche gegen den Strom zu schwimmen oder ob ich anfange die Strömungen zu lesen und mit ihnen Treibe.
Es sollte ein Anfängerfehler bleiben das ich gegen den Wind ankämpfend ans Ende meiner Kräfte gelange.
Zuerst versuchte ich es mit rechnen und auf die Uhr schauen. Wieviel Stunden dauert es von Flut bis Ebbe und zurück? Jedesmal vergaß ich rechtzeitig wieder auf die Uhr zu sehen.
Irgendwann gab ich auf zu versuchen die Gezeiten zu berechnen und mit den Tagen kam mehr und mehr von ganz alleine das Gefühl dafür wann die Strömung wie steht damit ich in die Gewünschte Richtung fahre kann.
So wusste ich am Ende ganz wie von selbst wie das Wasser stehen würde wenn ich morgens aufstehe.
Wenn man wartet bis die Ebbe fast am tiefsten Punkt ist ist die Strömung in Richtung Meer im stärksten, weil die Fliessgeschwindigkeit sich mit steigert um so mehr der Wasserspiegel sinkt. Mit diesem Wissen schaffte ich es den kompletten Weg in den Seitenarm für den ich drei vormittage gebraucht hatte innerhalb von anderthalb Stunden wieder zurück zu paddeln.
Also ich am letzten Tage bevor Soleymane das Boot holen komme will wieder vor der Überquerung des Hauptarmes stehe ist der Wind brachial. Soll ich aussitzen, warten bis der Harmattan vorüber ist. Es soll ruhig zuende gehen wie es angefangen hat. Ein letzter stundenlange Kampf gegen den Wind bringt mich zurück ans andere Ufer. Der Wind war so stark das Wellen zwischenzeitlich in das Boot hinein geschwappt sind, ausserdem kam ich obwohl ich mit voller Kraft quer gegen den Wind gepaddelt bin mehrere Kilometer weiter westlich heraus als geplant. Ein letztes mal das Boot gegen den Wind im seichten Wasser hinter mir her ziehen, und schliesslich geschafft.
Gerade sitze ich im Schatten des Strohdaches auf dem Campingplatz in fougnioune. Neben mir sitzt souleymane, hört nachdenklich anmutenden reaggie, starrt in die Luft und scheint über sein Leben nachzusinnen. Als ich Soleymane die Fotos zeige und von der Tour erzähle ist er völlig aus dem Häuschen und gibt immer wieder völlig entgeisterte Laute von sich. “you spend your life in military” hörte sich mehr wie ein Feststellung an als eine Frage.
Bei der endlos langen Verhandlung über den Rest des Preises gab ich nach Stundenlangem zahlen hin und her schieben deutlich zu verstehen das ich nicht den abgemachten Preis zahlen werde, da ich das Boot 2 Tage weniger hatte als abgemacht. Als er den Fischer in Kaolack anruft höre ich lauthals fluchen aus dem Sprecher seines Telefons. Daraufhin sinkt er völlig in sich zusammen und in seinen Augen kann ich sehen das er sehr kurz davor steht in Tränen auszubrechen. Ich würde daraufhin noch wütender da ich es für eine Technik halte um mich weichzumachen damit ich mehr Geld rausrücke. Ich lege noch einmal 20.000 CFA (ca. 30 Euro) auf den Tisch und sagte “c’est fini, mehr gibt es nicht”, und gehe um mein Zelt aufzubauen.
Nachdem das Zelt steht habe ich mich wieder beruhigt, auch Soleymane scheint sich wieder gefangen zu haben. “immer passiert mir so etwas” jammert er. Er möchte nicht immer Probleme haben, er möchte Liebe in der Welt, er sei ein Rasta, und in diesem Moment zieht er die Mütze vom Kopf und eine prächtige Mähne von Dreadlocks kommt zum Vorschein.
Ach du Schande, vor einer halbe Stunde hatte ich mir nichts lieber gewünscht als das der Typ das Geld nimmt und verschwindet. Auf einmal wird es mir klar: er ist gar kein Abzocker. Er ist einfach nur ein unglaublich empfindsamer junger Mann der ein komisches Geschäft mit einem verrückten Fischer und einem mindestens ebenso verrückten Deutschen gemacht hat.
Tatsächlich sitze ich noch den Rest des Abends mit ihm zusammen und trotz seines sehr begrenzten Englisch reden wir über dies und das, Das Leben, die Liebe.
Unwissenheit gepaart mit Größenwahn. Wenn man mich im Nachhinein nach einer Diagnose fragt wie dieses Abenteuer zustande kam ist würde ich sagen ich bin nach der Wüste einfach ein wenig übergeschnappt. Eventuell war es die Saharasonne die mir mein Hirn verbruzzelt hat oder aber ich habe mich nach der überstandenen Wanderung durch die Wüste Mauretaniens gefühlt als könnte ich einfach alles schaffen und wollte das Schicksal noch einmal heraus fordern.
Ich werde mich hüten noch einmal mit so blauäugiger Unwissenheit auf eine Tour zu gehen. Ein Risiko zu kennen und es in Kauf zu nehmen ist eine Sache, aber aus purer Doofheit sterben das wäre doch kein schönes Ende.
Naja Immerhin hat es dieses Mal geklappt, ich würde nicht von einer Hyäne gefressen, ich bin weder ertrunken noch verdurstet. Ich habe mich nicht klein kriegen lassen und aus meinen Fehlern gelernt. Gelernt das Wasser zu lesen und manchmal muss man sich gar nicht bei Gegenwind die Zähne ausbeissen, wenn man wartet bis die Bedingungen günstig stehen reichen auch nur ein paar Paddelschläge um die Richtung beizubehalten.
In diesem Sinne
Bis zum nächsten Abenteuer!