01.02.2019
Als Mark mir das erste Mal von der geplanten Mauretanien Tour erzählte wollte er es noch alleine machen.
Ich reagierte wie die meisten Leute denen ich seit dem von dem Plan erzählt habe: mit Ungläubigkeit, ein wenig Belustigung und staunen.
“Ich fahre nach Mauretanien, springe auf den grössten Zug der Welt auf, fahre damit in die Wüste, kaufe ein Kamel und durchquere die halbe Sahara zu Fuß.”
Jetzt sitze ich neben ihm im Bus auf dem Weg selbst Teil dieses wahnwitzigen Vorhabens zu werden.
Gerade sitze ich neben Mark im Fernbus Richtung Ad – Dakhla am südlichen Ende der Westsahara kurz vor der Grenze nach Mauretanien. Wir durchqueren das erste große Dünenfeld auf klimatisierten Ledersitzen, kriegen aber trotzdem eine erste Ahnung von der Weite der Landschaft die uns erwarten wird.
Die Küste der Westsahara – wo die Wüste ins Meer mündet
Es ist neun Uhr morgens, seit 17 Stunden versuchen wir es uns so gut es geht auf den Sitzen bequem zu machen.
Ich muss sagen das ich mich noch nie so gut auf eine Tour vorbereitet gefühlt habe, allerdings ist diese Vorbereitung auch mehr als angemessen wenn man bedenkt was wir vor haben.
Unsere Route soll uns von chinguetti in Richtung Süden führen. Auf ca. Der hälfte der Strecke können wir entscheiden ob wir die kürzere Route mit Kifa als Endpunkt nehmen oder ob wir verlängern und die Route bis an die Senegalesische Grenze weiterführen.
Mindestens 500km möchten wir zu Fuss zurück legen, durch ein Gebiet das bis auf einige wenige Personen von nicht Einheimischen noch nahezu unbetreten ist.
Da wir auf dieser Route Abschnitte von über 100km ohne Wasserstelle haben können, machen wir es wie die Nomaden und laufen mit Kamel.
Die Kamele werden wie früher bei den Nomaden nicht nur unsere Begleiter sein, sondern die Lebensgrundlage unseres Vorhabens. Sie transportieren das Wasser, von ihnen ist alles anhängig.
Die Entscheidung das ich mit nach Mauretanien kommen würde fiel vor ca. einem Monat als ich mich in Marrakesch auf dem Dach des Hostel Kif Kif befand. Ich schrieb mit Mark und sagte ihm dass das Reisen im Camper mir zu langweilig wird. Ich muss wieder raus mit dem Rucksack, laufen, den Elementen ausgesetzt sein. Im selben Moment als ich die Nachricht abschicken wollte mit der Frage ob ich mitkommen kann erhielt ich die Nachricht von Mark “sag mal, hast du nicht auch bock auf Mauretanien?”
Wie könnte ich dazu nein sagen.
Seitem drehte sich alles um die Vorbereitungen, Kontakte vor Ort aufbauen, Ausrüstung optimieren, essen planen usw..
Den Kernteil Teil der Planung, die Route mit den Wegen und Wasserstellen hat mangels Erfahrung meinerseits Mark in die Hände genommen.
Französische Kolonistenkarten aus den 1970ern, Google earth sowie die GPS Daten von Offroadern dienten dabei als Grundlage.
Für mich ist es eine unglaubliche Gelegenheit dieser Sache beizuwohnen. Ich hatte mich schon immer nach mehr Wildnis, Abgeschiedenheit und Entdeckungen gesehnt und auch Unternehmungen in diese Richtung unternommen. Das hier allerdings ist ein paar Nummern größer als alles was ich zuvor gemacht habe, Ich weiss das ich es alleine nicht machen würde und bin umso dankbarer für diese Chance.
Die Landschaft um uns herum wird immer karger und flacher, bald werden wir in Dakhla ankommen, eine Retortenstadt im nirgendwo ankommen und damit einen Schritt näher an den Start unserer Tour. Ich bin aufgeregt, Ich empfinde großen Respekt vor unserem Vorhaben und ich habe Vertrauen in unsere Fähigkeiten, in die Planung und die Ausrüstung. Immer besseres Kartenmaterial und GPS Notfallsender lassen die Wanderung längst nicht mehr so gefährlich und wahnwitzig erscheinen wie zu Beginn.
“Selbst wenn wir nur die Hälfte der Strecke schaffen wird es ein großartiges Abenteuer”, sagt Mark zu mir. Und es stimmt. Uns geht es nicht um irgendeine Kilometeranzahl auch wenn wir natürlich für unsere Planung einen Richtwert brauchen. Es ist eher unsere Art einen Drang auszuleben der tief in uns steckt, Zu entdecken, in unbekanntes Terrain vorzudringen und die kindliche Neugierde zu stillen die einen wissen lassen will was sich hinter der nächsten Düne oder im Nächsten Canyon verborgen ist.
Es wird eine Entdeckungstour und wir können jetzt nur erahnen was wir finden werden, aber wir können es kaum erwarten endlich zu starten.
Auf geht’s ins Ungewisse!
02.02.2019
Ad Dakhla, die Retortenstadt besteht abgesehen von langweiligen Beton bauten der Marrokanische Militärs anscheinend aus Deutschen Dauercampern. Der sogannte km 23 befindet sich 23 Kilometer vor den Toren der Stadt und ist eine Art umsonster Campingplatz. Nachdem wir so viele Kilometer durchs nirgendwo gefahren sind hatte ich mit vielem Gerechnet aber nicht mit einer Riesenhorde Bierbäuchigen Dauercampern die sich hier scheinbar prächtig eingelebt haben.
Im Empfangsgespräch mit dem selbsternannten Platzwart erzählen wir über unser Vorhaben und da wir uns ein bisschen um den bevorstehenden Grenzübertritt nach Mauretanien Sorgen fragen wir nach Erfahrungen. Die Grenze sei zu, sagt der eine, hohe Bestechungsgelder verlangen sie bishin zu Tipps die Grenzbeamten des streng muslimischen Landes zu versuchen mit Alkohol zu bestechen kamen als Reaktion.
Im Laufe der Gespräche wurde für uns immer klarer das keiner derjenigen die uns hier vermeintliche Tipps geben auch nur mal in der Nähe der Grenze war.
Schon witzig da denkt man man fährt ans Ende der Welt und auf einmal fühlt man sich wie auf einem eher spießigen Campingplatz in der Eifel. Wir relaxen 2 Tage, gehen schwimmen, geniessen die Abendsonne auf den Felsen bei den voraussichtlich erstmal letzten paar Bier.
Cheers
03.02.2019
Ich sitze im hinteren Teil eines Land Rover Defenders der uns bis an die mauretanische Grenze bringen soll. Die hügelige Straße und die harte Federung des urigen Gefährtes machen es nicht gerade einfach diesen Text zu schreiben. Michiel, der Fahrer Ist ein holländischer overlander. Er fährt mit seinem defender die ganze Strecke von den Niederlanden nach Südafrika an der westküste hinab und an der ostküste wieder hoch. Wir werden heute nur ca. 300km mit ihm mitfahren.
Gestern haben wir unsere letzten Alkoholvorräte vernichtet in dem Wissen Heute die mauretanische Grenze zu überqueren, wo Alkohol verboten ist und auch die Einfuhr angeblich kontrolliert wird. Der Abend gestern und die Rüttelpiste sorgt nicht gerade für Fernbus Komfort aber was solls.
Wir kennen beide schlimmeres und ausserdem wissen wir das es nichts ist gegen das was vor uns liegt.
Wenn alles gut geht werden wir morgen auf den Eisenerzzug aufspringen und in leeren Güterwaggons nach choum fahren, ein winziges Wüstenkaff im absoluten Nichts,
Von dort aus weiter mit Bushtaxis nach Atar, eine mittelgroße Stadt, für Sahara Verhältnisse.
Wir fangen immer mehr an uns Sorgen um den näher rückenden Kamelkauf und die Durchführbarkeit des Trips zu machen. Was wenn Staatsdiener uns in die Quere kommen und uns kein Kamel kaufen lassen oder die Preise auf einmal für uns doppelt so hoch sind wie für Einheimische. Was wenn das Militär uns gar nicht alleine gehen lässt.
Zum hundertsten Mal gehen wir alle worst case Szenarien durch. “Was soll der Quatsch!” sage ich zu mark. “Wir sehen vor Ort wo wir stehen, bringt ja nichts darauf rumzukauen”. Schweigend beschäftigen wir uns natürlich trotzdem weiter mit den Sorgen um den Start der Tour.
Wir haben so viel geplant, so viele Risiken die die Sahara mit sich bringt einkalkuliert aber das das Militär und einfach nicht lässt hatten wir nicht auf dem Schirm, bis uns ein paar Offroadern von ihren Erfahrungen berichteten: Sie sagten sie hätten mit ihrem Unimog permanent unter Beobachtung gestanden auf ihrem ganzen Trip. Wenn ich an so ein Szenario auf unserer Tour denke mache ich mich schon wieder verrückt.
Inshallah ist ein multifunktionales Sprichwort und wird in Nordafrika gerne für alles mögliche genutzt. Es bedeutet wörtlich ‘so Gott will’. Obwohl ich nicht an einen Gott an sich glaube gefällt mir die Vorstellung manche Entscheidungen an eine höhere Macht abzugeben, vor allem weil auf Trips wie diesem einem oft auch einfach nichts anderes übrig bleibt.
Also Inshallah werden wir das richtige Kamel finden und wie geplant bald starten können.
Unser Holländischer defender Fahrer hat leider beschlossen vor der mauretanische Grenze zu übernachten. Da es erst 14 Uhr ist und wir weiter wollen beschließen wir auf eigene Faust die Grenze zu überqueren und nehmen uns ein Taxi oder besser gesagt einen Schlepper.
Nun heisst es Abschied nehmen von unserer Mitfahrgelegenheit
Nach dem Abschiedsfotoshooting lernen wir unseren Schlepper kennen.
Ein Mercedes der aussieht als hätte er die Dakar Rallye schon in den 90ern begleitet, ein grimmig dreinblickender, Kaugummi kauender Fahrer in army hose, 2 afrikanische Grenzposten und ca. 5 km schwer vermientes Niemandsland das zwischen den Grenzposten liegt, was soll da schon schief gehen.
An der Marokkanischen Grenze geht es schon los. Die Grenzbeamten sind drauf und dran mir die Ausreise zu verweigern weil mein Auto vor ein paar Wochen als ich nach Deutschland gefahren bin nicht zur Ausreise registriert wurde. Mir wird vorgeworfen ich hätte das Auto in Marokko verkauft, was die Beamten hier gar nicht gerne sehen.
Nach ca. 1,5 Stunden Diskussionen und bangen endlich aufatmen. Unser Schlepper hat die Sache vorläufig geregelt und wir können ausreisen. Er gibt mir aber zu verstehen das ich nicht zurück nach Marokko kann solange ich das mit dem Auto nicht endgültig geklärt habe indem ich belege dass das Auto sich in Deutschland befindet.
Während mark zum letzten Mal aussteigt um die Papiere zu zeigen warte ich mit dem Schlepper schon im Niemandsland. Lkws stehen zu hunderten scheinbar wartend in einer Reihe, ausgeschlachteter Autowracks in ähnlicher Anzahl liegen neben der zunächst noch asphaltierten Straße.
Im Niemandsland
Ein paar Männer kommen zum Auto, mein Fenster ist herunter gekurbelt. Sie wirken zunächst freundlich, fragen auf Englisch woher ich komme und ob ich Geld wechseln oder Zigaretten kaufen möchte.
Ich frage was er macht und er sagt er hänge nur so rum. Ich werde misstrauisch und die Blicke der Männer verändern sich. Unser Schlepper war schon ausgestiegen, ging zur Rückseite des Autos und setzte sich auf den Kofferraum wo sich unser Gepäck befindet und er mit den männern nicht gerade freundlich klingende Worte wechselt.
Mir wird schwer mulmig zumute und ich bin froh als Mark kommt und wir weiterfahren können. Ich frage mich was passiert wenn Mauretanien mir aus welchem Grund auch immer die Einreise verwehrt, muss ich dann für immer im Niemandsland bleiben und auch Zigarettenverkäufer oder Geldwechsler werden?
Wir sitzen im Taxi hinter der Grenze, die mauretanischen Grenzbeamten waren freundlich und die Stimmung an der Grenze locker, die Beamten trugen nicht einmal Uniform, wir mussten unsere Papiere zeigen und Fingerabdrücke geben für das Visum bezahlen und das war es, unsere Taschen haben sie nicht angefasst.
Wir sind im richtigen Afrika angekommen sagt alles was hinter der Grenze liegt, die Menschen sind dunkler, die Gasflaschen an den Verkaufsständen noch rostiger, der Grenzposten hat nicht einmal eine Schranke geschweige denn großartige gepanzerte Fahrzeuge und Minensuchgeräte wie die Marokkanischen Grenztruppen.
Auch die Landschaft ändert sich hinter der Grenze schlagartig. Alles wurde irgendwie weiter. Die Formen der Sandsteine an den Straßenrändern sind beeindruckend. Ein riesiges Endloses nichts mit ein paar Büschen dazwischen. Mir geht schon ein bisschen die Muffe wenn ich daran denke dass wir eine derartige Landschaft hunderte Kilometer weit durchqueren wollen.
Die Stimmung ändert sich
Ein paar Kilometer werden wir noch bis zu einer auberge gebracht. Danach können wir uns erst einmal ausruhen. Was für ein Tag.
06.02.2019
Seit ca. 2,5 Stunden sitzen wir nun wieder am Bahngleis. Gestern waren es 12. Wenn Leute eine Zeit sagen wann der Zug kommt bin ich sicher sie schauen manchmal herunter auf ein Glücksrad, drehen es und sagen dann einfach die beliebige Zahl die angezeigt wird. Tatsächlich wurde schon am Vortag schnell klar das keiner eine Ahnung hat wann der Zug tatsächlich kommt. Anstatt dies zuzugeben sagen sie aber einfach er würde in zwei Stunden kommen nur um dann in zwei Stunden zu sagen er käme in den nächsten zwei Stunden.
Bahnhofsbekanntschaften – zusammen wartet es sich besser…
Irgendwann im Laufe diese Prozesses kam der Moment wo ich völlig die Erwartungshaltung aufgegeben hatte das ein Zug kommen wird geschweige denn das er überhaupt existiert.
Um 20 Uhr nach ca. 4 Stunden warten am zweiten Tag wird es unruhig am Gleis. Autos und Transporter Rollen an und laden die ca. fünffache Menge an Menschen ab die sich bereits auf dem Bahngleis befindet. Anscheinend weiss doch jemand wann die Bahn kommt.
… Auch später am Abend
Ca. Eine halbe Stunde später der beeindruckende Auftritt: der größte Zug der Welt, vier brachiale Monster von Diesellocks mit unzähligen leeren Eisenerzwaggons Rollen tosend in den Bahnhof ein, hinten dran die drei Personenwagen. Es ist bereits dunkel und Nebel umringt uns, eine Gewaltige Szenerie, surreal wie aus einem Film.
Wir waren am Ende aufgrund verschiedener Argumente nicht mehr ganz sicher ob wir wirklich in die Waggons aufspringen oder nicht doch im Personenabteil mitfahren wollen.
„Können wir überhaupt etwas von der Landschaft sehen in den leeren Containern, Ruiniert der Eisenerzstaub meinen teuren Schlafsack?“
Als der Zug einrollt und wir vor den leeren Eisenerzwagen stehen schäumt das Adrenalin über. Ca. 500 Menschen rennen in Richtung Personenabteil. Die Eisenerzwaggons sind überraschenderweise nur ca. 1,50m hoch, super zum rausgucken. Die Entscheidung trifft sich im endeffekt selbst, rauf mit uns in den Güterwaggon.
Branka, eine Serbien mittleren Alters die wir gestern bereits am Bahnhof kennenlernten wollte ebenfalls den Zug nehmen, hatte aber nie vor im Eisenerzwaggon mitzufahren.
Ich wünsche ihr viel Glück. Der Gedanke in diesem Waggon mit hunderten Menschen eingequetscht zu sein lässt mich das ganze schwer mit einem Viehtransport assoziieren den kein Tierschutzbund gutheißen würde.
Dagegen scheint unser leerer Eisenerzwaggon ganz für uns doch ein Luxushotel unter dem Sternenhimmel zu sein. Auch der Eisenstaub von dem ich viel gehört hatte schien kaum vorhanden.
Die Situation in der wir gerade stecken, auf dem verdammt größten Zug der Erde aufzuspringen löst einen unglaublichen Schub an endorphinen in mir aus. Auch Mark scheint euphorisch und wir machen lauthals Witze über alles was uns einfällt und lachen uns Grundlos schlapp.
Wir beobachten noch ein wenig die Szenerie wie pick up’s durch die Gegend fahren und Leute Sachen in die Waggons einladen.
Vor dem Personen Abteil fangen Leute an sich heftig zu prügeln offensichtlich darum wer als letzter rein kommt. Arme Branka…
Der Zug fährt langsam an. Abgesehen von dem quietschen und den Motoren der Diesellocks irgendwo zweieinhalb Kilometer vor uns ist es still.
Der Nebel und die Wüste in der Dunkelheit bilden eine einzige Suppe die es kaum erlaubt weiter als 100 Meter zu schauen. Magisch!
“ist doch eigentlich echt leise der Zug”, sage ich zu Mark. “warte erstmal ab.” kommt zurück.
Es dauert ein bisschen bis der Zug die volle Fahrt aufnimmt. Eisenerzstaub und Sahara Sand fängt an in den Waggons umher zu fliegen und schnell müssen wir uns vermummen, Mark mit seinem Tourban, ich mit meinem Schlauchtuch. Unsere Isomatten und Decken ausgebreitet legen wir uns hin. Die Kälte und der wind lässt mich schnell einsehen das mein Schlafsack wohl nicht im Rucksack bleiben wird.
Na dann gute Nacht
Ein paar Minuten nachdem wir uns hinlegen dann das erste Mal, Rrrrums. Wie bei einem kleinen Auffahrunfall knallt unser Waggon gegen den vor uns liegenden, wie wir schnell feststellen ein Phänomen das mehr oder weniger regelmäßig vorkommt in verschiedenen Stärken.
Anfangs erschien es unmöglich bei diesem Gerumse alle paar Minuten zur Ruhe zu kommen. Ein paar der Geräusche die der Zug im Laufe der Fahrt von sich gibt, inklusive eines nach in einer offensichtlich etwas zu schnell genommenen Kurve hin und her schwanken unseres Waggons lässt mich durchaus über die Möglichkeit nachdenken diese Fahrt nicht heil zu überstehen.
Ein wenig Vertrauen in die höheren Mächte hat auch hier wieder geholfen. Was soll ich jetzt schon machen, wenn das Ding fällt fällt es, aber Inshallah wird es das nicht tun.
Realistisch gesehen muss man hinzufügen das der Eisenerzzug auf dem Weg von der Mine nach Nouadhibou voll beladen ist, also das hunderte wenn nicht tausendfache an Gewicht mit sich herum schleppt. Die Wahrscheinlichkeit auf einer Leerfahrt schlapp zu machen erscheint da doch im Vergleich eher gering beruhige ich mich.
Der Zug hält mehrmals zwischendurch. Wir vermuten zur Kontrolle von Teilen oder weil etwas sich so schlimm angehört hat das selbst die Schaffner nicht mehr in Ruhe fahren können.
Nach dem ersten Halt nach ca. einer Stunde fährt der Zug langsamer sodass kaum noch Eisenstaub und Sand aufgewirbelt wird.
Wir schaffen es nach ein paar Stunden zur Ruhe zu kommen und tatsächlich einzuschlafen. Das Gerumse zwischendurch lässt einen immer mal wieder aufschrecken aber insgesamt würde ich sagen war es nicht einmal mein schlechtester Schlaf wenn ich so an andere Horrornächte denke.
Die Euphorie über das was wir gerade tun habe ich dabei mit in den schlaf genommen. Ich weiss nicht mehr genau was ich in dieser Nacht geträumt habe aber ich erinnere mich das Traum und Realität sich vermischt haben sodass in meinen Traum ein Zug vorkam. Eigentlich auch schwer vorstellbar das mein Unterbewusstsein eine derartige Geräuschkulisse ausblenden kann.
Mitten in der Nacht halten wir noch einmal. Wir schauen auf die Uhr, es ist 2. “auf dem halben Weg sind wir”, sagt Mark. Wir sind immer noch schwer müde und legen uns wieder hin. Ein Halt später: 8 Uhr. Wir sind da. Choum, das ging jetzt aber schnell.
Es ist Morgendämmerung und der Küstennebel Nouadhibous hat sich gegen Sandsturmnebel ausgetauscht. Schnell werfen wir unsere Sachen von Bord wobei ein einheimischer uns ungefragt mit den schweren Rucksäcken hilft. Unsere Sachen und wir sind voll mit Sand und Eisenstaub. Nichts was man nicht wieder raus bekommt.
Frisch wie nach 10 Stunden Eisenerzzug
Wir treffen Branka wieder. Sie hat wohl im VIP Abteil residiert und nicht im Viehtransport. Anscheinend haben die selben Leute die wissen wann der Zug kommt auch ein Abteil für sich reserviert. Polizisten, Offiziere und höhere Bahnmitarbeiter, Menschen erster Klasse also haben anscheinend Mitleid mit europäischen Touristen und lassen diese im Privatabteil mitfahren.
Gerade sitzen wir zusammen in einem Sammeltaxi nach Atar. Meine Euphorie über das erlebte und mein Wille das erlebte aufzuschreiben solange es noch frisch ist hält mich wach. Alle anderen ca. 15 Personen im Wagen schlafen tief und fest.
Im Nachhinein war die Fahrt viel weniger schlimm als ich befürchtet habe, was aber vielleicht auch nur durch die noch viel schlimmeren Erwartungen und den konstanten Euphorierausch stark abgemildert wurde.
Vor Bedingungslosen empfehlungen uns nachzueifern werde ich mich jedoch hüten.
Ich glaube man muss schon ein wenig speziell sein und eine gut vorgedehnte Komfortzone haben um eine derartige Fahrt geniessen zu können.
Für mich, ein großartiges Abenteuer und die wahrscheinlich coolste Sache die ich jemals gemacht habe.
07.02.2019
Wir befinden uns jetzt auf dem Campingplatz “Bab Sahara” in Atar. Bab Sahara bedeutet soviel wie das Tor zur Sahara, was ein bisschen Ironisch ist da uns die Sahara hunderte Kilometer in jede Richtung umrandet und wir somit mitten drin liegen.
Vor Ort erfahren wir das es mittlerweile sogar gut bezahlbare Fluglinien von Europa direkt nach Atar gibt, vielleicht erklärt das ja den Namen.
Mauretanien, bzw. das was ich bisher davon kennen gelernt habe begeistert mich. Es ist unvorstellbar riesig und wild. Die Menschen sind arm, aber herzlich und freundlich und auch viel weniger aufdringlich als in manchen marokkanischen Städten. Zu im Vorhinein groß diskutierten Bedenken bezüglich der Sicherheit kann ich nur sagen das ich wie bereits in den Monaten zuvor in Marokko auch hier keine einzige Situation hatte in der ich mich auch nur annähernd bedroht gefühlt habe, den Grenzübergang mal ausgenommen.
Nouadhibou ist definitiv eine der hässlichsten Städte die ich je gesehen habe und der Fischmarkt setzt dem ganzen die Krone auf.
Im Gegensatz zu anderen hässlichen Städten wie Wuppertal oder Petropawlowsk – Kamtschatski strahlt nouadhibou für mich allerdings noch einen gewissen Charme aus. Ziegen, Esel und Kühe laufen mitten in der Stadt herum, die Autos sind Schrottkisten aber wie aus einem Museum für Schrott und die Plastikflaschen und verwesenden Fischköpfe auf dem Boden des Hafens könnten fast eine Art morbides Mosaik bilden.
Der Fischmarkt in Noughadibou – Für alle die auf rotten places stehen ein must see
Die Tatsache das wir zwei Tage auf einen Zug warten mussten hat uns einsehen lassen das die Dinge hier anders laufen, weniger berechenbar.
Da wir nur für einen Monat das Visum haben fürchten wir mit dem Ursprungsplan – Kamele zu kaufen und wieder zu verkaufen nicht hinzukommen, wir müssten wahrscheinlich Tage für den Kauf der Kamele investieren und selbst dann könnten wir ohne eine Probewanderung nicht sicher sein das diese überhaupt tauglich für unser Vorhaben sind.
Die Argumente überwiegen und wir anfangen über alternativen nachzudenken. Anfangs fiel es mir schwer mich mit dem Gedanken anzufreunden unseren großen Plan umzuschmeissen aber das ist nun mal so bei solchen Unternehmungen. Man plant etwas, dann wird man mit der Realität vor Ort konfrontiert und dann plant man um.
Unflexibilität bei der Zielsetzung unter sich ändernden Umständen macht nicht nur keinen Sinn sondern kann unnötige Gefahren mit sich bringen.
Unser neuer Plan sieht vor anstatt ein Kamel zu kaufen eines zu leihen wobei dies bedeutet dass ein einheimischer Nomade mit uns kommt um auf seine Kamele aufzupassen.
Die Vorteile die die Begleitung eines Einheimischen mit sich bringt sind unumstößlich.
Wir haben die Gelegenheit unser Wissen über den Umgang mit Kamelen zu vertiefen, wir lernen über die Tier und Pflanzenwelt aus erster Hand. Außerdem kennt er die Gegend auswendig und kann uns Dinge zeigen wie unbekannte Wasserlöcher, Felszeichnungen oder Ruinen. Auch ist das Risiko mit dem Kauf von kranken oder eingeschränkten Kamelen übers Ohr gehauen zu werden praktisch nicht vorhanden, da der Nomade der dabei ist dafür Verantwortung übernimmt und mit ihnen ja den ganzen Weg auch wieder zurück muss.
Gegen die Begleitung eines Nomaden spricht eigentlich nur ein großes einbußen an Coolness. Wir haben geplant das ganze Ding alleine zu machen und diese Herausforderung unter uns zu Meistern. Falscher Stolz und ein zu grosses Ego ist wie viele Abenteurer traurigerweise bewiesen haben der beste Weg sich geradewegs in den Tod zu stürzen deswegen fangen wir damit gar nicht erst an.
Außerdem machen wir diese Tour nunmal letztendlich für uns, für das Erlebnis und wir haben beschlossen dass diese Art es zu machen jetzt die beste und richtige ist.
Bereits zwei Angebote zum leihen von Kamelen samt Begleitung haben wir erhalten.
3 Kamele, eine Begleitung, 18 Tage mit der Option auf Verlängerung. Die Route ist noch nicht ganz klar soll uns aber voraussichtlich nach Tidjikja bringen, ein Dorf etwas näher als unser ursprüngliches Ziel Kiffa. Unterwegs können wir die Tour selbstverständlich flexibel gestalten um zum Beispiel Canyons oder Tafelberge zu erkunden und nach Ruinen oder Felszeichnungen suchen. Anschliessend werden wir per Anhalter Taxi, Sammeltaxi und/oder Bus weiter in den Senegal fahren.
Auf einen Preis von ca. 780 Euro haben wir uns nun mit einem Nomaden geeinigt, der uns heute morgen auf dem Campingplatz besucht hat. Er schien professionell im Umgang mit Touristen und im Verhandeln. Ich denke es ist ein Preis der sowohl für uns akzeptabel ist als das auch die Einheimischen damit fair bedient sind. Den Preis bis auf das absolute minimum zu drücken wie es Europäer in Nordafrikanischen Ländern warum auch immer gerne tun haben wir uns gespart.
Nach 1,5 Wochen Bahn – und Bus fahren, warten, trampen und ein paar Pausentagen ist nun endlich der Start unserer Tour in Sicht. In zwei Tagen soll es von Chinguetti losgehen. Die Anreise war bereits ein großes Abenteuer, nun wird es größer.
Mit der letzten Entscheidung einen Nomaden mit an Bord zu holen haben wir noch einmal dafür gesorgt den Risikofaktor zu minimieren, Gleichzeitig bekommen wir die Gelegenheit von ihm zu lernen und tiefer in das Leben der Nomaden wie sie es seit tausenden Jahren leben einzutauchen.
Da es wohl unmöglich wird Neuigkeiten über unser Vorhaben aus der Wüste zu senden werden wir die nächsten Updates in ein paar Wochen berichten wenn wir das nächste Mal einen Internetzugang haben, irgendwo im Süden Mauretaniens oder im Senegal.
Inshallah wird alles gut gehen und wir melden uns mit großartigen Abenteuern Berichten in ein paar Wochen wieder.
Bis dahin, machts gut und drückt uns die Daumen!